Vorfälligkeitsentschädigung: Vorfälligkeitszinsen bei der Kredittilgung umgehen

von | Aug 17, 2021 | Spartipps

Bei der Aufnahme eines Kredits wird in der Regel eine feste Laufzeit vereinbart, auf deren Basis dann monatliche Raten ausgerechnet werden, die der/die Kreditnehmer/in bezahlen muss.

Manchmal aber, hat ein/e Kreditnehmer/in die Möglichkeit, den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen, oder – was natürlich insbesondere bei der Immobilienfinanzierung relevant ist – möchte vorzeitig aus dem Kreditvertrag aussteigen, um das Darlehen umzuschulden oder das Haus zu verkaufen.

Das nennt man Gesamttilgung oder vorzeitige Kreditablöse. Doch die meisten Kreditanbieter lassen dies nicht kostenlos zu, sondern verlangen sogenannte Vorfälligkeitszinsen. Unter bestimmten Umständen müssen Sie als Darlehensnehmer/in die Vorfälligkeitszinsen nicht bezahlen.

Die rechtliche Situation: Vorfälligkeitszinsen sind legal

Am 11.06.2010 ist die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG in Kraft getreten. Sie besagt, dass Ratenkredite vorzeitig gekündigt und abgelöst werden können. Doch da der Kreditgeber dadurch Zinserträge verliert, muss er dafür entschädigt werden.

Auf dieser rechtlichen Grundlage erheben die Kreditgeber die Vorfälligkeitszinsen, die aber nicht beliebig hoch sein dürfen. Stattdessen sind gesetzlich folgende Grenzen festgelegt: Beträgt die restliche Kreditlaufzeit noch mehr als 12 Monate, so darf die Vorfälligkeitsentschädigung maximal 1 % der Restschuld betragen. Liegt die restliche Kreditlaufzeit unter 12 Monaten, so beträgt die Vorfälligkeitsentschädigung maximal 0,5 % der Restschuld (§ 502 (3) Satz 1 BGB). Außerdem dürfen die Vorfälligkeitszinsen nicht höher sein als die Zinsen, die ohne vorzeitige Rückzahlung ganz regulär entrichtet worden wären (§ 502 (3) Satz 2 BGB).

In der Regel schöpfen die Kreditgeber diese gesetzlich festgelegten Grenzen voll aus. Allerdings gibt es auch den Fall, dass manche Kreditangebote eine kostenlose Gesamttilgung explizit zulassen und somit der jeweilige Anbieter freiwillig auf die Vorfälligkeitszinsen verzichtet.

Prüfen Sie gerade bei solchen Angeboten Ihren Kreditvertrag sehr genau, denn es kann sein, dass Sie im „Kleingedruckten“ Ausnahmen von der kostenlosen Gesamttilgung finden und Sie letztendlich doch die Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen müssen. Denkbar ist zum Beispiel, dass eine kostenlose Gesamttilgung zwar möglich ist, aber nur, wenn der Kredit nur noch eine Restlaufzeit von wenigen Monaten hat.

Sollten Sie noch einen laufenden Kredit haben, welcher vor dem 11.06.2010 geschlossen worden ist, also bevor die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG in Kraft trat, gelten die Richtlinien inklusive der Grenzen nicht, sondern nur die Inhalte des Kreditvertrags. Dort steht dann drin, ob eine vorzeitige Rückzahlung überhaupt möglich ist und wenn ja, zu welchen Konditionen.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei fehlenden oder fehlerhaften Vertragsinhalten

Viele Kreditverträge weisen formelle Fehler und Schwachstellen auf. Für den/die Kreditnehmer/in kann so ein formeller Fehler ein großer Vorteil sein, denn dann ist der Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht rechtswirksam. Der /die Kreditnehmer/in kann den Kreditvertrag widerrufen und das Darlehen ganz ohne Mehrkosten in einer Gesamttilgung komplett zurückzahlen.

Fehlende oder unzureichende Widerrufsbelehrung

Der häufigste formelle Fehler ist eine fehlende oder unzureichende Widerrufsbelehrung. Liegt eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vor, können Sie den Vertrag als Kreditnehmer/in widerrufen, was praktisch einer vorzeitigen Rückzahlung entspricht – jedoch ohne, dass die Bank einen Anspruch auf Vorfälligkeitszinsen hat.

Anwaltskanzleien werben explizit mit dem Service, Kreditverträge zur Vermeidung der Vorfälligkeitsentschädigungszahlung auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung zu untersuchen. Einige bieten sogar eine kostenlose Prüfung der Unterlagen an und verlangen erst Geld, wenn Sie die Kanzlei mit dem Widerruf des Vertrags beauftragen.

Und wenn Sie sich nun ärgern, weil Sie diesen Schritt nicht gegangen sind und eine Gesamttilgung mitsamt der Zahlung aller von der Bank verlangten Vorfälligkeitszinsen gemacht haben, gibt es gute Nachrichten für Sie: In der Regel können im Fall von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen auch bereits abgezahlte Kredite widerrufen und die Vorfälligkeitszinsen zurückgefordert werden.

Es ist nicht empfehlenswert, einen Vertrag ganz ohne fachantwaltliche Prüfung zu widerrufen, um Vorfälligkeitszinsen zu sparen, denn das Risiko ist hoch. Es kann leicht passieren, dass sich die Bank gegen Ihren Widerruf wehrt und es zu einem Prozess mit hohen Kosten kommt, welche die Vorfälligkeitsentschädigung sogar übersteigen. Überlegen Sie, ob es sich lohnt, einen Anwalt kostenpflichtig einzuschalten, oder ob die anfallenden Zinsen dafür eigentlich zu niedrig sind und Sie doch „in den sauren Apfel beißen“ und sie bezahlen.

Fehlende oder unzureichende Pflichtangaben

Es gibt zahlreiche Pflichtangaben, die in einem Verbraucherkreditvertrag zwingend und korrekt vorhanden sein müssen. Im Gesetz sind sie aufgelistet im Artikel 247 § 3, § 6, §7 und § 8 EGBGB (= Einführungsgesetz zum BGB). Sehr oft sind diese Pflichtangaben in den Verträgen nicht alle korrekt, doch sie sind in den Gesetzestexten eben auch gut versteckt und oft nicht einfach formuliert, sodass es als Laie sehr schwierig ist, einzuschätzen, ob der eigene Kreditvertrag gewisse Pflichtangaben nicht richtig oder gar nicht enthält.

Fakt ist: Fehlen Pflichtangaben, oder sind sie fehlerhaft, so erlischt auch der Anspruch eines Kreditgebers auf eine Vorfälligkeitsentschädigung. Fehlerhafte oder fehlende Pflichtangaben zu erkennen, ist ohne juristisches Wissen aber sehr schwer und fast nur mit professioneller fachanwaltlicher Hilfe oder mit Beratung seitens einer Verbraucherzentrale möglich. Es liegt also dasselbe Problem vor: Sie könnten sich die Vorfälligkeitszinsen womöglich sparen, brauchen dafür aber eine kostenpflichtige Unterstützung von Profis, die sich eventuell finanziell nicht lohnt.

Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei ordentlicher Kündigung nach § 489 BGB

Im § 489 BGB ist das Kündigungsrecht des Kreditnehmers geregelt. Er besagt, dass dem Kreditnehmer bei allen Kreditarten nach Ablauf von zehn Jahren ein ordentliches Kündigungsrecht zusteht, sofern ein fester Zinssatz über länger als zehn Jahre vereinbart worden ist. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate, und wenn Sie Ihr Kündigungsrecht in Anspruch nehmen, sind Sie auch nicht dazu verpflichtet, Vorfälligkeitsgebühren zu bezahlen.

Vorfälligkeitsgebühren bei der Immobilienfinanzierung

Auch Immobilienkredite können vorzeitig zurückgezahlt werden, allerdings nur, wenn es dafür berechtigte Gründe gibt, zum Beispiel den Verkauf der finanzierten Immobilie oder dem Einsatz der Immobilie als Kreditsicherung für ein anderes Darlehen.

Sie können auch einen Immobilienkredit nach Ablauf von zehn Jahren ohne Pflicht zur Vorfälligkeitsentschädigung kündigen, wenn in Ihrem Vertrag ein fester Zinssatz für mehr als zehn Jahre vereinbart worden ist. Auch entfallen für Sie die Vorfälligkeitszinsen, wenn Pflichtangaben fehlen oder fehlerhaft sind. Aber für Immobiliendarlehen gelten andere gesetzliche Bestimmungen als für Verbraucherdarlehen. Dies ist in Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB geregelt. Quintessenz aus dem Gesetzestext ist, dass weniger Pflichtangaben notwendig sind als beim Verbraucherdarlehen.

Was Sie seit dem 21. März 2016 explizit nicht mehr tun können, ist den „Widerrufsjoker“ zu spielen – ein Darlehen zur Immobilienfinanzierung können Sie nicht zeitlich unbegrenzt widerrufen, wenn die Widerrufsbelehrungen unzureichend oder fehlerhaft sind, sondern nur noch ein Jahr und 14 Tage lang. Nur wenn die Widerrufsbelehrung komplett fehlt, können auch Immobilienkredite bis heute zeitlich unbegrenzt widerrufen werden.

Weil sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesgerichtshof (BGH) bei diesem Thema in den letzten Jahren uneinig waren, ist das Thema Widerrufsbelehrung bei Immobilienkrediten noch immer rechtlich nicht vollständig geklärt.

Fazit: Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist in vielen Fällen möglich – aber als Laie ist professionelle, meist kostenpflichtige Unterstützung beinahe unerlässlich

Theoretisch haben Kreditgeber einen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, wenn ein/e Kreditnehmer/in seinen/ihren Kreditvertrag durch eine Gesamttilgung vorzeitig auslösen möchte. Diesen Anspruch verspielen viele Kreditgeber durch unsauber ausgearbeitete Vertragsinhalte. Das Gesetz steht hier in vielen Fällen auf Seiten der Verbraucher/innen.

In der Praxis aber sind die entsprechenden Gesetze so schwer im Detail zu verstehen und auf den Kreditvertrag anzuwenden, dass Sie als Verbraucher/in ohne juristisches Fachwissen auf anwaltliche Hilfe oder Unterstützung von den Verbraucherzentralen angewiesen sind. Hier müssen Sie abwägen, ob die Höhe der Vorfälligkeitszinsen es wert ist, diese kostenpflichtige Unterstützung in Anspruch zu nehmen – und das ist definitiv ein Mangel beim Verbraucherschutz, der praktisch nur dann greift, wenn es sich um eine sehr hohe Vorfälligkeitsentschädigung handelt.