MIKROKREDIT

Mikrokredit – Entwicklungshilfe und Existenzgründung durch Mikrofinanzierung

Kredite über eine vergleichsweise geringe Summe werden unter den verschiedensten Bezeichnungen gehandelt, die oftmals als gleichwertige Synonyme benutzt werden. Vor allem zwischen Kleinkredit oder Minikredit und Mikrokredit bestehen jedoch deutliche Unterschiede. Am treffendsten lassen sich Kleinkredit und Minikredit als Kurzzeitkredit beschreiben, da ihre Laufzeit aufgrund der geringen Kreditsumme im Regelfall nur wenige Monate umfasst.

Fälschlicherweise wird ein solcher Kredit auch oft als Mikrokredit bezeichnet, da nicht ganz klar zu sein scheint, wodurch sich ein Mikrokredit genau von anderen Kleinkreditformen unterscheidet. Die grundlegende Gemeinsamkeit, eine Geldsumme im dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Bereich, trifft auch auf den Mikrokredit zu, dennoch sind die Rahmenbedingungen anders konzipiert.

mikrokredit

Ein Mikrokredit kann soziale Projekte ermöglichen.

Mikrofinanzierung richtet sich als Darlehensmodell explizit nur an Unternehmer, ist also an einen Verwendungszweck gebunden und darf nicht für private Ausgaben genutzt werden. Was macht den Mikrokredit also zu etwas Besonderem?

Der Mikrokredit als Allzweckwaffe gegen soziale Missstände

Das ausschlaggebende Stichwort beim Thema Mikrokredit ist die Entwicklungshilfe, die diese Form des Mikrodarlehens von gewöhnlichen Kreditmodellen abhebt. Der Verwendungszweck und die Höhe der Kreditsumme definieren gleichermaßen das Konzept der Mikrofinanzierung.

Mit einer vergleichsweise niedrigen Summe erhalten Startups, Kleinunternehmer oder Selbstständige eine Finanzspritze, um die „Hilfe zur Selbsthilfe“ anzustoßen, das Kernanliegen der Mikrofinanzierung – zumindest in der Theorie.

Die Zielgruppe sind Menschen oder ganze Bevölkerungsschichten, die auf anderem Weg keinen Zugang zu finanziellen Mitteln haben. Durch fehlende Sicherheiten oder die zu geringe Höhe der benötigten Kreditsumme. Dies betrifft hauptsächlich Entwicklungsländer, findet aber auch in Europa Anwendung.

In Industrienationen wie Deutschland mag es etwas übertrieben wirken, dass mit einer Finanzspritze von vielleicht 100 Euro das Schicksal einer gesamten Familie verändert wird. In Entwicklungsländern in Südamerika, Asien oder Afrika kann eine derartige Summe jedoch durchaus Großes bewirken.

Zeitweise wurde die „neue“ Idee der Mikrokredite in Entwicklungsländern als bahnbrechende Lösung im Kampf gegen die Armut angepriesen, mit Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus und der von ihm gegründeten Grameen Bank als repräsentativer Galionsfigur.

Entscheidend für den Erfolg jenseits der Theorie ist allerdings nicht nur der Geldfluss an sich, sondern ein paralleler Netzwerkaufbau, um die Investitionen sinnvoll einzusetzen. Als Universallösung im Kampf gegen globale Armut sind euphorische wie kritische Stimmen zum Prinzip der Mikrokredite gleichermaßen im Umlauf.

Die Entstehung des Modells „Mikrokredit als Entwicklungshilfe“

Die grundlegende Idee zu kleinen Krediten für die verarmte Bevölkerung von Entwicklungsländern ist nicht neu, die klar definierte Motivation, warum diese Mikrokredite vergeben werden, hingegen schon. Muhammad Yunus, durch den die Verbindung von Entwicklungshilfe und Mikrokredit weltweit Bekanntheit erlangte, hat die Bewegung der Mikrofinanzierung als Mittel gegen die Armut entscheidend geprägt.

Am Beispiel seiner Heimat Bangladesch zeigt er die Notwendigkeit eines solchen Darlehensprogramms auf und wie es seiner Meinung nach umgesetzt werden sollte. Ohne Startguthaben, so gering es auch sein mag, ist ein Ausweg aus der Perspektivlosigkeit für verarmte Bevölkerungsschichten aus eigener Kraft praktisch unmöglich. Um den vorherrschenden Teufelskreis zu durchbrechen, sich nicht mehr für die lebensnotwendigen Alltagsausgaben Geld leihen zu müssen, bietet das „normale“ Bankensystem allerdings keine effizienten Lösungen.

Aus Mangel an Sicherheiten und der niedrigen Summe die benötigt wird, haben Banken und Kreditinstituten kaum Interesse an der Vergabe von Mikrokrediten. Zu groß der Aufwand, Sicherheiten zu prüfen, die in den meisten Fällen nach konventionellen Maßstäben ohnehin nicht vorhanden sind. Zu groß das Risiko, ohne zusätzliche und eingehende Beratung und Betreuung keine zuverlässige Rückzahlung zu erhalten. Das Geld wird aber faktisch von den Menschen benötigt, daher blüht das Geschäft der sogenannten Kredithaie und Geldhändler.

Eine Chance aus der Armut heraus

An der schlechten Situation derer, die auf das Geld der Kredite angewiesen sind, ändert sich dadurch langfristig nichts, im Normalfall wird die Schuldenfalle sogar noch größer. Mikrokredite bedienen also nicht nur einen finanziellen Engpass, sondern den Bedarf an sozialverträglichen und wirtschaftlich tragbaren Rückzahlungsbedingungen, die an die Klientel angepasst sind. Der entscheidende Faktor des Darlehensprogramms ist nicht nur, dass geringe Geldsummen an arme Menschen verliehen werden, sondern auch, unter welchen Bedingungen dies geschieht.

Ziel der ursprünglichen Mikrokreditidee war das Hinzufügen einer sozialen Komponente in einer Welt des Kapitalismus, um auch die bisher vernachlässigten Bevölkerungsschichten im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Marktwirtschaft teilhaben zu lassen. Ein Vorhaben, aufgrund dessen das Modell der Mikrokredite inzwischen in etwa 60 Entwicklungsländern Anwendung findet.

Ohne Geld lässt sich keine Existenz gründen, wer kein Geld hat, bekommt auch keines. So einfach scheint es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Indem man denen, die über keine Sicherheit verfügen, einen Vertrauensvorschuss bietet und auch den Ärmsten der Armen eine Chance gibt, ihr Talent unter Beweis zu stellen.

Kredite ohne Schuldenfalle sollte das von Muhammad Yunus angestoßene System liefern. Kleine und gezielt eingesetzte Kredite in seiner Heimat Bangladesch, um schnell und pragmatisch Hilfe vor Ort anbieten zu können.

Nach der Devise, auch die Ärmsten können mit der richtigen Unterstützung kreditwürdig sein, sollen Mikrokredite diejenigen auffangen, die im Normalfall auf herkömmlichen Wegen bei den Kreditinstituten leer ausgehen. Wo keine Sicherheiten vorhanden sind, werden durch das Prinzip Mikrokredit entsprechende geschaffen.

Mehr als reine Finanzierung – Hilfe zur Selbsthilfe mit dem Rahmenprogramm der Mikrokredite

Persönliche Schicksale und Geschichten prägen von Anfang an den Weg der Mikrokredite, die zu einem großen Prozentsatz in Ländern wie Indien oder Bangladesch an Frauen aus verarmten Bevölkerungsschichten vergeben werden. Teilweise werden ausschließlich Frauen als Kreditnehmerinnen akzeptiert. Der erste Schritt dieser „Entwicklungshilfe“ besteht darin, dass diese Frauen nicht weiterhin auf zwielichtige Gestalten und deren Methoden beim Geldverleih angewiesen sein sollen.

Der zweite Schritt neben dem Darlehen an sich sind die Bedingungen, an die ihre Vergabe geknüpft ist. Das Geld ist nicht zur freien Verfügung, sondern für Anschaffungen und Investitionen vorgesehen, die eine wirtschaftliche Entwicklung anstoßen. Armutsbekämpfung und die Gleichstellung bzw. Stärkung der Frauen sind Schlagworte, die eng im Zusammenhang mit den Mikrokrediten in Entwicklungsländern stehen.

Bei den armen Bevölkerungsschichten, die am meisten auf Mikrokredite angewiesen sind, fehlt es an Geld ebenso wie an professionellem Grundwissen, dies sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen. Mikrokredite sind deshalb von Anfang an Bedingungen gekoppelt, um zu verhindern, dass nur der tägliche Engpass überbrückt wird.

Der ausschließliche Verwendungszweck muss im geschäftlichen Bereich liegen, die Investition in die langfristige Selbstständigkeit ist Voraussetzung der Bewilligung. Parallel zur finanziellen Unterstützung muss deshalb ein Netzwerk innerhalb der Community entstehen, das als Sicherheit für die zuverlässige Rückzahlung dient. Eine persönliche Bindung innerhalb dieser Netzwerke sorgt dafür, dass sich die Kreditnehmerinnen idealerweise von selbst zur Rückzahlung verpflichtet fühlen. In der Theorie wird damit eine hohe Rückzahlungsquote garantiert, basierend auf dem Pflichtgefühl der armen Bevölkerung. Gestärkte Selbstständigkeit statt Schuldenfalle also.

Kritik an der sogenannten Entwicklungshilfe – Wie human sieht die Realität noch aus?

Humanität vs. Realität der Marktwirtschaft

Mikrokredite als Allheilmittel gegen die Armut weltweit – ein schöner Gedanke, der vor allem zu Beginn der Mikrokreditwelle in Bangladesch und Indien gewisse Erfolge verbuchen konnte. Zuverlässige Rückzahlungsquoten von 90% kursierten und kursieren noch immer, um den Erfolg der finanziellen Entwicklungshilfe zu untermauern. Doch die teils hässliche Realität der Marktwirtschaft und der globalen Finanzwelt geht auch an diesem Modell nicht spurlos vorbei.

Positive und vor allem langfristige Auswirkungen der sozial motivierten Mikrokredite scheinen dem allgegenwärtigen Kapitalismus zum Opfer gefallen sein. Positive Effekte jenseits der 5% lassen sich wissenschaftlich kaum halten oder nachweisen. Die Wucherzinsen der Kredithaie unterschieden sich teilweise nicht von denen der von Muhammad Yunus gegründeten Grameen Bank, sollten jedoch durch den Mehrwert von Beratung, Betreuung und einer zukunftsfähigen Existenzgründung aufgewogen werden. Doch traditionelle Sicherheiten sind noch immer nicht vorhanden, das Geld längst verbraucht, was bleibt ist ein Schuldenberg, den viele indische Frauen dann doch wieder mithilfe der Kredithaie versuchen abzutragen.

Hohe Zinsen und kein Ausweg in Sicht

Das Hauptargument, humane Rückzahlungsbedingungen und eine selbstlose Stärkung der verarmten Bevölkerung erhielt beispielsweise durch eine Reihe von Selbstmorden im südindischen Andhra-Pradesh einen Dämpfer. Frauen die ihren Kredit nicht mehr bedienen konnten, wurden unter anderem durch das, eigentlich zur Unterstützung geknüpfte, Netzwerk im persönlichen Umfeld zu Verzweiflungstaten wie Selbstmord getrieben.

Denn im Todesfall erlischt die offene Kreditforderung. Von Selbstlosigkeit und humanen Rückzahlungsbedingungen kann in solchen Fällen keine Rede mehr sein. Längst schon geht es bei vielen Anbietern der Mikrokredite, die mehrheitlich an die Börse streben, mehr um die eigenen Gewinne anstelle der selbstlosen Entwicklungshilfe.

Mikrokredite in Europa und der deutschen Wirtschaft

Nicht nur in Entwicklungsländern, auch in Europa spielt Mikrofinanzierung schon seit den 1990er Jahren eine nicht unerhebliche Rolle. Das Grundprinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ dient dazu, Klein- und Kleinstunternehmern unter die Arme zu greifen, auch wenn die Durchführung etwas anders geregelt ist als beispielsweise in Bangladesch oder Indien. Gemäß dem Motto „Einer für alle, alle für einen“, nach dem schon die Genossenschaften im 19. Jahrhundert agierten, lebt dieses Modell inzwischen in Deutschland wieder auf.

Mikrofinanzinstitute als Alternative zu großen Banken

Ebenso wie in Entwicklungsländern geht es auch bei Mikrokrediten in Deutschland darum, finanzielle Mittel für eine kurzfristige Überbrückung zur Verfügung zu stellen. In diese Kategorie fallen unerwartete finanzielle Engpässe oder einmalige Ausgaben, die bei Kleinstunternehmern auch im niedrigen dreistelligen Bereich über ein Fortbestehen der eigenen Existenzgrundlage entscheiden kann.

Das Ausgleichen von schlechtem Wirtschaften oder Fehlentscheidungen ist dabei eindeutig kein geeigneter Einsatz der Mikrokredite. Für reguläre Banken lohnt sich der Verwaltungsaufwand für Kredite in dieser Höhe nicht, daher übernehmen offiziell akkreditierte Mikrofinanzinstitute diese Aufgabe. Geprüfte Anträge und Empfehlungen über Kreditvergaben werden an die GLS Bank weitergegeben, da die Mikrofinanzinstitute selbst über keine Bankenzulassung verfügen, aber als vertrauenswürdiger Vermittler fungieren.

Einer für alle, alle für einen – Die Renaissance der Genossenschaften

Durch die Gründung von Genossenschaften schaffen sich Selbstständige und Kleinstunternehmer vor Ort zudem eine Wertegemeinschaft, die im Sinne der Netzwerkbildung die Grundlage für gegenseitige Unterstützung im regionalen Verband bildet. Ein gemeinsames Anliegen, sei es durch den Sitz im gleichen Viertel oder die Tätigkeit in derselben Branche innerhalb einer Stadt oder Region, fördert das Einigkeitsgefühl und öffnet langfristig neue Wege für Kleinunternehmer. Gegenseitige Unterstützung und ein begleitendes Beratungsangebot sorgen dafür, dass ein Mikrokredit eine nachhaltige Investition wird und die verfügbaren finanziellen Mittel sinnvoll eingesetzt werden.

Entstanden aus regionalen Modellprojekten und in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit sowie Banken und Stiftungen, koordiniert das Deutsche Mikrofinanz Institut (DMI) seit 2004 die Vergabe der Mikrokredite in Deutschland. Und bietet damit Kleinunternehmern eine Möglichkeit zur Existenzsicherung durch geringe Beträge, für die ansonsten Darlehen aus dem privaten Umfeld beschafft werden müssten.